Treffen wir mit unseren Interventionen die richtige Flughöhe?
Unsere Empfehlung ist, diese auf jeden Fall zu hinterfragen. Zwei Beispiele aus unserer aktuellen Praxis:
- In einem sehr innovativen Zulieferunternehmen häufen sich die Burnout-Verdachtsfälle auf höchster Ebene. Die Anfragen, die wir bekommen: Machen Sie mal ein Coaching, damit die wichtigen Kollegen uns nicht vor die Hunde gehen. Parallele Beobachtung: Die Fluktuation bei Führungskräften steigt.
Und jetzt die Frage: Haben wir es mit einem Problem zu tun, das auf individueller Ebene angegangen werden sollte, oder sollten wir eher eine Intervention auf Organisationsebene nahe legen. Haben wir ein Zeitmanagement-Problem einzelner (mittlerweile einiger) – oder braucht eher die Organisation eine Zeitmanagement-Beratung?
- Bei einem mittelständischen Werkzeughersteller wird eine zentrale Führungsposition in den letzten 5 Jahren 4 mal neu besetzt. Original-Aussage eines Insiders: „und das waren nicht alles Idioten“. Auch in diesem Fall lohnt es sich als Interner und als Berater mal etwas genauer hinzuschauen. Was genau sind denn die Rahmenbedingungen, die versierte Führungskräfte immer wieder scheitern lassen?
Bei beiden Fällen ist vermutlich eine Beratung auf individueller Ebene wenig hilfreich.
In Beispiel eins lässt sich nach kurzer gemeinsamer Analyse mit dem Kunden attestieren: Es liegt nicht an dem fehlerhaften Zeitmanagement einzelner Führungskräfte, dass sie an ihre Grenzen kommen. Es ist schlicht zu viel Arbeit im Gesamtsystem.
Klaus Leopold benutzt in seinem Buch „Agilität neu Denken“ das schöne Bild des Flughafens, bei dem es wichtig ist, dass ähnlich viele Maschinen starten, wie landen. Wenn mehr Flugzeuge landen als starten, ist irgendwann der Flughafen so verstopft, dass gar keine Maschine mehr starten kann.
Ähnlich verhält sich das mit Unternehmen, bei denen im System zu viel Arbeit steckt. Vor lauter Arbeit bekomme ich gar nichts mehr vom Tisch. Das führt dann zu Überforderung und in manchen Fällen zum Burnout. Oder halt Fluktuation. Ein individuell hilfreicherer Ausweg als der Burnout.
„Dann müssen wir halt Leute einstellen, die dem Druck gewachsen sind“ hören wir dann manchmal. Ähnlich wie in Beispiel zwei, in der die Führungskräfte so lange ausgetauscht wurden, bis man dann anfing darüber nachzudenken, ob es nicht doch einen Fehler im System gibt. (Den gab es tatsächlich)
Dieses Phänomen ist publikumswirksam gerne bei Fußballvereinen oder -verbänden (auch sehr aktuell im DFB) zu beobachten. Da fast man sich doch als externer Beobachter immer wieder an den Kopf und fragt sich, warum merken die Leute intern eigentlich nichts? Bitte liebe Schalke-Fans, jetzt nicht böse sein, aber war das Dilemma in den letzten Jahren nicht offensichtlich? Und die Standard-Intervention „wir tauschen den Trainer aus, dann wird es schon wieder“?
Das ist schon ein fast reflexhaftes Verhalten, das Entscheider an den Tag legen, wenn es gerade oder auch schon länger nicht läuft: Wir tauschen die handelnden Personen aus.
Das ist ein bisschen so, wie wenn der Mann*die Frau sich ständig neue Gespiel*innen sucht, weil es mit der*dem letzten nicht geklappt hat, dabei aber übersieht, dass er das eigentliche Problem mit in die nächste Beziehung nimmt. Sich selbst.
Eine Lösung für Fall eins kann sein, auf hoher Ebene sich klar zu machen (visualisieren), wie viel Arbeit tatsächlich im Gesamtsystem steckt. Und dann konsequent zu priorisieren. Und zwar die Aufgaben, Projekte, Initiativen, die am Schnellsten und Effektivsten zu Erfolg auf dem Markt führen.
Fall zwei ist auch eher komplex und von Unternehmen zu Unternehmen (dieses Problem mit dem häufigen Austausch des Managements gibt es ja nicht nur bei Schalke und unserem Kunden) ist eine intensivere Analyse des Umfelds der vakanten Stelle erforderlich. Gründe können alle Formen von Konflikten sein oder auch unternehmenskultureller Natur sein.
Wichtig nur: Wenn Sie nichts tun, oder weiterhin nur die Management-Positionen wechseln… na ja, Sie wissen ja, was mit Schalke gerade passiert ist.